Vom Frosch der fliegen wollte
Es war einmal ein Frosch, der lebte in einem großen Tümpel zusammen mit vielen anderen Fröschen und jeden Tag und jede Nacht quakten alle im Chor und taten, was Frösche eben so tun. Doch je länger der Frosch da saß und mit den anderen quakte, umso mehr träumte er davon, etwas anderes zu tun: aus dem Tümpel zu steigen, den Baum hinauf zu klettern und davon zu fliegen. Wie herrlich musste es sein, die Welt von oben zu sehen, frei wie ein Vogel sich in die Lüfte zu erheben, den Himmel zu erobern und dem eintönigen Gequake zu entkommen! Und je mehr er davon träumte, desto fester reifte in ihm der Entschluss und schließlich erzählte er den anderen Fröschen davon und alle lachten laut und verhöhnten ihn und konnten gar nicht begreifen, warum er das Leben im Tümpel nicht wundervoll fand. „Du willst ein Vogel sein! Das ist ja lächerlich, Du wirst herunterfallen wie ein Stein und platt wie eine Flunder am Boden liegen und wir werden Dich da kleben lassen als Warnung an alle Frösche, die nicht wissen, was sich gehört!“
Nur sein bester Freund, der lachte nicht, der sah ihn aufgeregt und zugleich traurig an, denn er verstand, was in ihm vorging und was kommen würde.
Und so stieg der Frosch eines schönen Tages aus dem Tümpel und sprach zu allen anderen Fröschen: „Ich werde nun den Baum erklimmen und ich werde losfliegen, über den Tümpel und weiter bis zu den Bergen und bis zum höchsten Gipfel, ihr werdet sehen und dann werdet ihr nicht mehr lachen!“
Und alle Frösche waren ganz still und saßen gespannt und schauten dem Frosch zu, wie er langsam und unter großen Mühen den hohen Baum hinauf kletterte. Ein paar Mal sah es so aus, als würde er abstürzen und alle hielten den Atem an und ein paar Frösche wünschten sich auch, er würde fallen, weil sie so gerne das Platschen hören wollten, aber sie sagten sich: „Spätestens wenn er springt, werden wir es sowieso hören“ und schließlich gingen sie sogar dazu über, ihn anzufeuern: „Los! Das schaffst Du! Nur noch ein paar Meter!“
Nur der beste Freund des Frosches saß stumm da, unendlich stolz auf seinen Freund, aber auch unendlich traurig, da er wusste, dass dies der Abschied war.
Und schließlich erklomm der Frosch die letzten Äste, dann kroch er den längsten Zweig hinauf, bis er schließlich ganz an der Spitze des Baumes angekommen war und er streckte sich, so weit er konnte, breitete in unglaublicher Glückseligkeit seine Arme aus und sprang so fest er konnte weit in den blauen Himmel – da kam ein großer Greifvogel und packte ihn, hob ihn hoch in die Lüfte und trug ihn davon, über den Tümpel und weit weg bis zu den Bergen und zum höchsten Gipfel, hinauf in sein Nest und verfütterte ihn an seine Jungen.
Da lachten alle Frösche, dass der Lärm weithin hörbar war und sie klopften sich auf ihre Schenkel: „Fliegen wollte er – habt ihr’s gesehen, was für ein blöder Frosch! Da sieht man, was passiert, wenn einer meint, er wäre was Besonderes!“ Und sie lachten und lachten und konnten sich gar nicht beruhigen vor Schadenfreude.
Da kletterte der beste Freund des Frosches aus dem Tümpel und sprach: „Er hat versprochen zu fliegen, über den Tümpel bis zu den Bergen und auf den höchsten Gipfel hinauf – und sein Versprechen hat er gehalten.“
Und er drehte sich um, wanderte fort in die Welt hinaus und blickte nie zurück.