Cavalleria rusticana - Konzept

Regiekonzept (Kurzfassung)
Kurzfassung Regiekonzept zu Pietro Masca
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Regiekonzept (ausfühliche Fassung)
Inszenierungskonzept Cavalleria.pdf
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Regiekonzept Kurzfassung (Auszug):

Das Problem – die Lösung

 

Wenn man sich mit Cavalleria beschäftigt, ist man eigentlich nur am Stolpern. Zunächst: worum geht’s? Eifersuchtsgeschichte, aha, Mädchen liebt Junge, der liebt aber ne andere, die liebt ihn erst schon, dann aber nicht oder dann doch, am Ende sind die einen tot, die anderen unglücklich, soweit so gut, kennt man ja. Aber dann: Was der Piper uns da so fröhlich als überschaubare Inhaltsangabe präsentiert findet SO überhaupt nicht statt. Vielmehr begegnet man während gut der ganzen ersten Hälfte einer eigenwilligen Folge von Szenen, in denen man von einer Situation in die nächste fällt, Leute kommen und gehen, ohne dass eine eigentliche Handlung oder zumindest eine Form von Aktion – Reaktion stattfindet, und diese erste halbe Stunde verstreicht, ohne dass man erfährt, worum es denn nun eigentlich geht, oder mal ein Gedanke im Gespräch zu Ende geführt werden würde: Suspense als Dauerzustand. Und wenn dann endlich darüber informiert wird, was denn nun die genauen Zusammenhänge sind, geschieht auch das nur in Erzählform, nicht dramatisch. Aber wer oder was bleibt denn nun genau in der Luft hängen? Die einzige Konstante ist vorerst Santuzza. Sie hat offensichtlich ein schwerwiegendes emotionales Problem und nun begreift man auch: Das ‚Problem‘ ist die Handlung. Der erste Stolperstein erweist sich als spannender Ansporn: Endlich mal keine linear von A über Missverständnis und Intrige nach B verlaufende Handlung, die in C ihr Ende findet, sondern ein Problem-Zustand, der so lang gedreht und gewendet wird, bis er nicht mehr auszuhalten ist und einer den gordischen Knoten durchhaut. Vielleicht gerade weil sich Mascagni so shakespearehaft um die Einheit von Zeit und Ort bemüht erschafft er eine Dramaturgie (wenn man das überhaupt so nennen kann) die einem im 21. Jahrhundert fast vertrauter erscheint als jede Verdi oder Puccini Handlungsoper.

Man freut sich und beschäftigt sich weiter. Aber der nächste Stolperstein lässt nicht lange auf sich warten: Figuren die keine sind. Es gibt in dieser Oper eigentlich nur zwei Charaktere, Santuzza und Turiddu, wenn man möchte kann man Alfio eine gewisse Chance einräumen, aber Lola taucht nur auf um Turiddu und Santuzza in ihrem Duett zu stören (suspense again) und Turiddu endgültig zum Brindisi Exzess zu bringen und spielt so eigentlich immer nur den Stein des Anstoßes, zugegeben, einen recht farbig bemalten. Und mamma Lucia, die oft Beschwörte, bringt weder der Handlung, noch der Musik, noch den Charakteren eine entscheidende Wendung – genauer gesagt, überhaupt irgendeine Form von Wendung. Man könnte jetzt anführen, sie dient wenigstens als Gesprächspartner, aber selbst da versagt sie, denn die meiste Zeit versteht sie überhaupt nicht, worum es geht und ist weit davon entfernt echten Trost oder gar Hilfe zu spenden. So konzentriert sich alles auf Santuzza und Turiddu, wobei Santuzza einen eindeutigen Sympathievorsprung hat, nicht nur weil sie als erste die Chance bekommt, uns für ihre Sicht der Dinge einzunehmen, sondern weil sie die EINZIGE ist, die überhaupt ihre Sicht der Dinge darlegt. Und schon wieder wächst die Begeisterung über dieses Werk in seiner Zentrierung: EINE Person, EIN Konflikt und dann die grausame aber notwendige Konsequenz.

Und dann kommt da der letzte Stolperstein, obwohl man mittlerweile ja ahnt, dass es die Stolpersteine sind, die diese Oper so richtig spannend machen: Dieser aber ist anders, denn der letzte Stolperstein ist die Musik. Und man braucht gar nicht anzufangen, dramaturgische, traditionsgeschichtliche oder ästhetische Überlegungen zu bemühen, um diesen Stolperstein zu Gold zu machen, weil einen diese Musik einfach nur auf innerster und emotionalster Ebene wegbläst. Zugegeben: man kann die Musik tränendrüsig und triefkitschig finden, und wer darüber nicht hinwegkommt wird mit dem Werk, denke ich, keine große Freude haben. Man kann sich ihr aber auch stellen, und genau darin liegt der Stolperstein: Das Problem ist nicht, ob einem diese Art der Musik gefällt oder nicht, sondern dass sie auf einem emotionalen Level einsteigt, der die Finali vieler anderen Opern blass aussehen lässt und schon in den ersten 30 Minuten ohne jede Vorwarnung ein Gebet bringt, bei dem sämtliche Hollywood Cinemascope Passionsfilme schamvoll geduckt nach Hause gehen können und sich im Publikum selbst der, der bisher der Meinung war, dass die Idee und der Glaube an die Auferstehung eine äußerst an den Haaren herbeigezogene Erfindung ist, fragt, ob es nicht doch eine zweites darüber Nachdenken wert wäre, wenn es sich SO anhört.

Nachdem man sich also vom ersten hingerissenen Schock erholt hat begreift man:

Die alles andere überflutende Kraft in dieser Oper kommt aus der Musik (… und: NEIN, das ist durchaus nicht bei jeder Oper so) und nur durch eine ebenso assoziativ emotionale Herangehensweise die in der Bildsprache versucht, eine ähnlich anarchische Kraft zu entwickeln lässt sich eventuell eine musikalisch-szenische Einheit finden, die sich gegenseitig auf Augenhöhe befruchtet.

So ist auch mein Ansatz ein zutiefst emotionaler, der keinen Anspruch auf Logik erhebt und assoziativ, eklektizistisch und surrealistisch vorgeht und daher eher nur mit Mühe in einen erklärenden, zusammenfassenden Regiekonzept-Text gefasst werden kann, was im Folgenden dennoch versucht werden soll...